Sonntag, 14. Mai 2017

#37 21.05.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Nun bin ich glücklich doch auf der Waffenschule gelandet. Es kam wieder ziemlich übereilt; von den ca. 30 Offiziersanwärtern wurden auch nur Neun hier her kommandiert. Man hat besonders die für die Nachkriegszeit als aktive Offiziere vorgesehenen Unteroffiziere ausgesucht. Wenn wir hier in den drei Monaten auch erheblich mehr rangekriegt werden, so haben wir doch mehr Plan in unserer Ausbildung als die zurückgebliebenen. Nach erfolgreicher Bestehung des Lehrgangs haben wir große Aussicht Feldwebel zu werden und damit haben wir dann aus sozusagen die Eignung zum Offizier. Auch dass man uns um unseren Urlaub gebracht hat, bedaure ich nun nicht mehr so; vor Mitte August wird daraus nun natürlich nichts. Am Sonntag morgen fuhren wir mit allen Sachen nach Berlin - Göberitz. Bei der Einteilung am nächsten Morgen kamen wir Offiziersanwärter vom Regiment 18 alle in dieselbe Inspektion, das entspricht einer Kompanie, zur Lehrgruppe 3 nach Potsdam. Abgesehen davon, dass wir hier näher an der Stadt sind, als in Göberitz, ist die Unterbringung hier auch weit günstiger. Denkt Euch nur, zu vier Mann ein Schlaf- und ein Arbeitszimmer mit fließenden Wasser, eigenem Schreibtisch, Nachtisch und großen Bett und Schrank! Gegessen wird nur dreimal täglich im Fähnrichsheim. Hoffentlich kommen wir damit durch! In Danzig war noch so allerhand zu bekommen, hier gibt's selbst Kuchen nur noch auf Marken. Heute früh wurden wir sportlich geprüft. Zum Schwimmen steht uns ein fantastisches Hallenbad zur Verfügung, um das uns manche Großstadt beneiden kann. Wir liegen ganz in der Nähe von Sanssouci. In der Woche wird bei dem vielen Dienst und den Privatarbeiten wohl nicht viel Freizeit bleiben, dafür erhalten wir am Wochenende Urlaub nach Berlin und können dort alles Sehenswerte kennenlernen und uns unterhalten. Die Natur ist hier schon ein gutes Stück weiter als in Danzig, blühende Bäume gab's dort oben überhaupt noch nicht. Das Wetter ist heute recht trübe und kalt. Für den Dienst soll es aber man bloß nicht zu kalt werden. Danzig von dem wir schweren Herzens geschieden sind, wird uns dann wohl am 10. August wieder seine Tore öffnen. Ob wir bei den riesigen Erfolgen jetzt, überhaupt noch was vom Kriegsschauplatz sehen werden. Fast möchte man jetzt an ein baldiges Kriegsende glauben. Das wäre aber doch schon bedauerlich. Alles was mit uns geschieht, geschieht aber letzten Endes auf Befehl des Führers und wir wollen auch hier in der Heimat unseren Mann stehen. Ihr könnt Euch denken, dass ich nicht mehr viel Freizeit habe und daher kann ich Euch, so gern ich's täte, nicht so genau und sauber unterrichten. Nach Haus habe ich genaueres geschrieben. In der Hoffnung, dass Euch auch dies vorerst genügt und dass es Euch weiter recht gut geht, wie mir auch, verbleibe ich mit vielen, herzlichen Grüßen

Euer Reinhard.

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#40 21.06.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne! Wir erfreut war ich, von Euch schon wieder so ein leckeres Paket mit einem lieben Brief zu erhalten. ...