Samstag, 29. April 2017

#30 02.03.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Nun wird es aber wirklich bald Zeit, dass ich wieder etwas von mir hören lasse und mich für Großmutters lieben Brief vom 19. bedanke. Sicher habt ihr lange auf Nachricht gewartet ?! Durch die abendliche Skatspielerei, durch den langen Weg zum Dienst, der meist sehr ausgedehnt ist, bin ich in den letzten Tagen leider wenig zum Schreiben gekommen. Zum Lesen hat es meist auch nicht gereicht. Die beifolgenden "Auslese"-Hefte habe ich ja nun glücklich hinter mich gebracht. Nun habe ich von Tante Marie ter Meulen noch Lesestoff bekommen, so dass ich fürs Erste mal überreichlich genug habe. Ohne also im Geringsten sagen zu wollen, dass mir die "Auslese" nicht ausgezeichnet gefiele, möchte ich bitten, mit der Übersendung der Hefte ab September, wenn sie nicht schon abgesandt sind, noch einige Zeit zu warten. Wenn wir mal hier weg kommen ist man in einsameren Gegenden sicher froh, mal wieder was zu haben. In den letzten Wochen ist eigentlich wenig erwähnenswertes passiert. Am letzten Sonntag wurden wir durch die Operettensänger und -Tänzer des Bielefelder Theaters mit einem bunten Nachmittag erfreut, am Montag war hier im Dorf schon wieder Varieté! Das Wetter wechselt jetzt ständig zwischen Frost und Tau. Heute ist nun gerade wieder herrlich klares Wetter, nur gestört durch schneidenden Ostwind. In deinem lieben Brief, liebe Großmutter, sprichst Du ja reichlich optimistisch vom Urlaub. Es war ja auch schon mal soweit, dass ich meinte, Mitte Februar unter Euch sein zu können. Aber nun hat sich das leider doch wieder etwas verzögert. Ich kann Euch nachfühlen, dass es Euch schwer fällt, immer wieder hingehalten zu werden. Aber das lässt sich nun mal nicht ändern und der Kompanieführer vertritt die an sich gesunde Ansicht, dass eben erst ein Gleichgewicht zu den Mannschaften, die noch zu einem Drittel fahren müssen, hergestellt werden soll. In meiner Ruhestellung gefällt es mir auch so gut und einmal kommt doch der Tag des Wiedersehens. Förster ist bestimmt auch ein schöner Beruf, wenn man erst sein eigenes Revier hat. Unser alter Herr sagt, wenn er noch zwanzig Mal geboren würde, möchte er noch 25 Mal Förster werden. In den letzten Tagen hatten wir wieder mal eine leckere Wildschweinleber zum Abendessen, der Rest des Wildbrets ging weiter zum Jagdpächter. Das in Pflege genommene Hirschkalb ging trotzdem im Stall ein. Wenig zur Freude des Försters üben wir fast jeden Morgen in seinem Revier und Knallen da herum. Neulich beschossen wir sogar mit Platzpatronen vom Bodenfenster aus die Kameraden. Der Schießstand ist auch gerade hinter meinem Quartier, zum Frühstück verduftete ich mich nach Hause. Mit seiner Wohnungssuche wird Onkel C.F. doch jetzt hoffentlich im Reinen sein? Ich will ihm gleich mal wieder schreiben. Mit Erkältung habe ich seit meinem hiesigen Aufenthalt zum Glück nichts zu tun gehabt. Die Osterholzer scheinen ja sich in den letzten Tagen böse gegenseitig angesteckt zu haben. Ihr seid hoffentlich ganz auf dem Damm? So etwas von Winter hat die Welt ja auch noch nicht erlebt! Heute sollen wir hier im Keller zum ersten Male baden. Die Försterstochter macht uns gerade die Bütte zurecht. In unserem lang entbehrten Genuß werden wir hoffentlich nicht durch den Spieß mit seiner Unteroffizierparade, die er immer gerade in die unpassendsten Zeiten legt, gestört. Zu Vorsicht haben wir aber diesmal Urlaub zu unserem vorherigen Quartierort eingereicht und da wird man uns ja wohl in Ruhe lassen müssen. Im übrigen hört ihr sicher das wichtigste von mir über Osterholz! Ich habe heute wieder Großschreibtag und vorläufig schon mal wieder genug. Ich will also hoffen, dass ich euch mit meinen Zeilen recht erfreue und verbleibe mit vielen herzlichen Grüßen

Euer Reinhard

#29 22.02.1940



Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Gern hätte ich ja schon zwei der schönen „Auslese“- Hefte zurückgesandt, aber nun bin ich in der letzten Woche doch so wenig zum Lesen gekommen, dass das erst bei meinem nächsten Brief möglich sein wird. Jeden Abend wird Skat gekloppt, am letzten Sonntag hatte ich U.v.D. (Unteroffizier vomDienst) und sonst habe ich mich auch immer viel für den Dienst vorzubereiten, dass nicht viel Zeit übrig bleibt. Trotzdem hatten wir gestern unseren dienstfreien Mittwochnachmittag, den ich zu einer Tour in die Stadt mit meinen Kameraden ausnutzte. Hier fuhren wir per Eisenbahn. Außer Café und Kino war in der durch Militär überfüllten Nacht auch nichts los. Zurück nahm uns ein Feldwebel in seinem Wehrmachtswagen mit. Mein Quartierkamerad hat von gestern bis heute Mittag im Wahllokal im Dorf als U.v.D. Quartier beziehen müssen. Vor ein paar Tagen bekamen wir ein Hirschkalb in unserem Stall, das aber trotz der Pflege den Winter nicht überstanden hat. Jetzt wird es aber doch wärmer. Die Sonne scheint, es ist ganz klares Wetter. Immer mehr löst sich Eis und Schnee in dichten Matsch auf. Danach kommt dann hoffentlich ein warmer Frühling. Unser Spülstein bemüht sich auch allmählich, nach 3 Wochen wieder aufzutauen, ebenso hoffentlich bald das Klosett. Wenn erst einmal keine Kohlen mehr nötig sind, sieht es alles , auch besonders für Euch, schon rosiger aus. Der Engländer hat sich mit der „Altmark“ja mal wieder in deiner ganzen rücksichtslosen Handlungsweise gezeigt. Lange wird aber die gerechte Strafe nicht auf sich warten lassen. Görings Rede machte uns, obwohl sie manchmal ja nur für Fachleute war, einen gewaltigen Eindruck. Er hat so eine fabelhafte Ausdrucksweise,um das Volk mitzureißen. Ebenso gefallen uns immer sehr die Zeitungsschauen von Fritzsche. Tante Marie ter Meulen sandte mir jetzt ein nettes Paket mit Büchern, Keks und Bonbons. Sie hatte es das erste Mal zurückerhalten, weil sie mein c mit einer 6 verwechselt hatte. Eben wird mir wieder mein Mittagessen, Graupensuppe, gebracht. Morgen ist Scharfschießen. Besonderes passiert hier eigentlich sonst nicht. Mir geht es an Leib und Seele weiter gut, was ich auch von Euch hoffen möchte. Mit vielen herzlichen Grüßen bin ich stets,

Euer Reinhard

Freitag, 28. April 2017

Verlobung "Kriegsweihnacht 1943"





Es handelt sich hier um die Bekanntmachung der Verlobung von Margot Boos und Günther Karl Ludwig Kluge (Oblt. und Kompaniechef). Leider konnten wir nichts weiter über die Wehrmachtsangehörigen auf dieser Karte in Erfahrung bringen. Vielleicht hat ja einer der Leser dieser Seite hier einen Hinweis über den weiteren Lebensweg dieser Personen für uns.

#28 12.02.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Kaum kann ich mir Zeit zum Schreiben nehmen. In den letzten Tagen hatte ich dienstlich viel zu tun und auch Sonntag Nachmittag musste ich den Sandkasten aufbauen. Am heutigen freien Abend drängt mein netter Quartierwirt und mein Kamerad auf das Skatspielen. Es ist aber doch an der Zeit, dass ich Euch für die viele Post der letzten Woche danke. Vor allem erfreutet ihr mich mit den 4 Ausleseheften, die zu lesen ich aber noch keine rechte Gelegenheit hatte. Ebenso danke ich herzliche für Großmutters Brief und Tante Annes Postkarte. Nach einigen Tagen Tau und Regenwetter hat jetzt wieder grimmiger Frost eingesetzt. Morgen steigt im Gelände wieder ein Scharfschießen. In meinem luxuriösen Quartier gefällt es mir auch weiterhin ausgezeichnet. Nun fährt diese Tage wieder einer der wenigen Unteroffiziere in Urlaub, da werde ich bei hoffentlich schönem Wetter auch hoffentlich bald an der Reihe sein. Findet ihr Euch doch nur damit ab, dass es noch etwas dauert! Wasser hat uns unsere Gemeinde immer noch nicht wieder beschieden und wir müssen damit, wenn es auch manchmal peinlich ist, weiter sparen. Euch wird es in dieser Beziehung hoffentlich besser gehen. Feuerungsmaterial haben wir genug, im Wohnzimmer herrscht immer mollige Wärme. Bei der jetzigen Witterung hege ich wirklich keinen großen Wunsch, zu Hause zu sein. Es ist doch schöner, wenn man im Frühling in der eigenen Uniform ohne Mantel herumlaufen kann. Wir gehen auch jede Woche an dienstfreien Nachmittagen zweimal in die Stadt ins Kino, leider benutzen wir noch nicht die günstige Gelegenheit, ein Duschbad zu nehmen. Mit Interesse und Freude verfolgen wir weiter die Nachrichten im Radio. Weniger gefallen uns die abendlichen Frontberichte etc., dafür sollte man uns lieber unterhaltende [...] vorsetzen. Das soll also die Beantwortung von Großmutters lieben Brief vom 24. Januar sein. Und nun noch schnell Tante Annes Postkarte und dann die Skatkarten auf den Tisch! Wahrscheinlich hat mir Tante Marie ter Meulen ein Päckchen auf 06902b geschickt. Kurts Karte ging mit dieser Anschrift an ihn zurück. Deutlich genug habe ich die Ziffern doch geschrieben?! Zum Brief schreiben fehlt mir heute Abend die nötige Ruhe, daher so flüchtig. Habt ihr in Osnabrück jetzt auch so viele Soldaten, in Detmold hat Onkel Julius sechs Mann gehabt. Dort und in der Umgebung sollen sehr viele Truppen liegen. Das es den Kleinen trotz der schlechten Bahnverbindungen in der Schule weiter gut geht, freut mich sehr. Bei Gelegenheit schreibe ich mal wieder etwas ausführlicher und nachdenklicher. Für heute viele liebe Grüße und weiter Alles Gute, vor allem Gesundheit.

Mit einem frischen "Heil Hitler"

Euer Reinhard



Sonntag, 23. April 2017

#27 05.02.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Die beiden letzten lieben Briefe, die mich sehr erfreuten, veranlassen mich, obwohl ich erst vorgestern einen losgelassen habe, heute schon wieder zu schreiben. Außerdem schreibt mein Kumpan jetzt auch, und da im Augenblick nichts im Radio ist, wäre es mir sonst zu langweilig. Der Unteroffizier mit dem ich zuerst hier zusammen lag, wurde ja am Freitag mit meinen beiden alten Kompaniekameraden weiter versetzt. Am Sonnabendmorgen kam ein anderer, hierher versetzter R.O.A. (Reserve Offizier Anwärter) zu mir ins Wachlokal. Da er noch kein Quartier hatte, empfahl ich ihm zu mir zu ziehen. Jetzt ist er ebenso begeistert von unserem Forsthaus wie ich. Man ist hier nach des Tages Dienst so ganz abgeschlossen von jedem Kommiss und der Spieß macht sich nicht die Mühe, uns nach dem Dienst noch zur besonderen Verwendung heranzuholen. Das war zum Beispiel Gestern am Sonntag der Fall, als mehrere Unteroffiziere mit Mannschaften am Nachmittag zum Schneeschippen fort mussten. Heute früh wurden wir beiden, die inzwischen gute Freunde geworden sind, sogar schon beim Antreten entlassen, da der Spieß uns nicht gebrauchte. So konnten wir dann den Morgen in unserem trauten Heim zu bringen. Draußen ist es sehr diesig, trotzdem musste ich heute früh mein MG zum Fliegerschutz aufbauen lassen, habe jetzt aber nichts mehr damit zu tun. Mit dem Urlaub wird es nun leider doch noch mehrere Wochen dauern, der Hauptmann ist sehr kleinlich und will die wenigen noch zu beurlaubenden Unteroffiziere nicht eher fahren lassen, bis dass auch ein entsprechender Teil von Männern zu Hause gewesen ist. Von mir aus kann es auch ruhig dafür noch etwas frühlingsmäßiger werden, einmal muss ich doch fortkommen. Sehr leid tut mir die Angelegenheit nur um Eurer, besonders Muttis willen, da ich seit Pfingsten nicht mehr in Osterholz war und sie mich danach auch nur einmal einen Tag in Detmold gesehen hat. Mit der Höhle in Osnabrück scheint es ja doch etwas ganz besonderes auf sich zu haben. Für die Übersendung der Zeitungsausschnitte davon danke ich Dir, liebe Großmutter, herzlich, ebenso über die Mondtabelle. Manchmal ist es für uns sehr wichtig, zu wissen ob die Nächte mondhell sind, oder nicht. Die zweite Sendung "Auslese"-Hefte ist noch nicht eingetroffen, die erste ist hoffentlich doch unbeschädigt zurückgegangen. Ich werde also das nächste Mal nach Möglichkeit fester verpacken. Die Postbeförderung scheint übrigens jetzt wieder in Ordnung zu sein. Am Sonnabend bekam ich sieben Briefe, vom 19. - 30. Januar die scheinbar in der alten Kompanie aufgestapelt worden sind. Die Verlegung nach hier ist auch wohl mit Schuld daran, dass nicht alles so prompt in meine Hand kam. Mit Euren Heizverhältnissen habt Ihr hoffentlich nicht allzu große Schwierigkeiten gehabt und Euch keine Erkältung zu gezogen. Bei der zunehmenden Wärme wird es ja wohl wieder alles in Ordnung sein. Mit Kinobesuch ist das zur Zeit so eine Sache, wir dürfen nicht ohne Genehmigung den Standort verlassen, und die bekommt man nur schwer. Da müssen wir schon mal warten, bis wir wieder in eine Stadt kommen. Hier das Leben hat aber auch unzweifelhafte Vorteile, vor allem die Ruhe. Mit Kurts und Erikas Schulbesuch sieht es ja jetzt dumm aus wegen der Zugverbindungen. Ich weiß auch nicht, wie man da Abhilfe schaffen kann. Sonst scheint, zu meiner Befriedigung zu Hause aber ja alles in Ordnung zu sein. Besonders bei der Kälte ist es nicht so schlimm, zu zweien im Bett zu schlafen, wenn nur in unserer früheren Unterkunft es nicht so zugig gewesen wäre und das Plumeau etwas größer. Jetzt hat aber ja jeder das Vergnügen, ein Bett für sich in einem schönen, großen Schlafzimmer zu haben. Mit meiner neuen Mannschaft und den anderen Unteroffizieren bin ich sehr zufrieden. Mein jetziger Quartierkumpan hat meine Leute als Rekruten ausgebildet und sie sind jetzt sehr stramm und folgsam. Ich werde schon, wenn es mal wieder nach Vorn geht, mit ihnen fertig werden. Die Führerrede hat auch auf uns einen großen Eindruck gemacht. Ich hörte sie sogar am nächsten Mittag noch einmal. Der Oberbürgermeister von D.(Detmold) ist erst seit einigen Wochen Leutnant. Er ist ein rechter Nationalsozialist und allgemein beliebt, nicht so der Hauptmann. Beide kennen Onkel Julius. Der Oberbürgermeister ist annähernd 35 Jahre alt, Hauptmann Petri vielleicht 10 Jahre älter. Von Osnabrücker Varieté- und Nationaltheaterkünstlern habe ich noch nichts gehört. Es ist auch jetzt längere Zeit nichts mehr gewesen. Am Kinobesuch nahm ich am Sonnabend wegen Übermüdung nach den 24 fast schlaflosen Wachstunden nicht teil. Morgen soll es in die Stadt zum Baden gehen und vielleicht hinterher wieder ins Kino. Baden ist seit 14 Tagen auch mal wieder nötig. Wir leiden hier draußen sehr unter Wasserknappheit, da die Leitung noch gefroren ist. Hoffentlich habt ihr damit keine Last gehabt?! Onkel Carls Ernennung "Oberalten" ist ja großartig. Ich will ihm und auch Onkel Carlfried gelegentlich wieder schreiben. Nun viele liebe Grüße. Hoffentlich trifft heute Abend die Sendung der "Auslese" ein. Schon im Voraus herzlichen Dank dafür. Sicher gefallen mir die folgenden Hefte ebenso gut, wie die beiden ersten.

Mit den besten Wünschen und auf ein frohes Wiedersehen

Euer Reinhard.

Freitag, 21. April 2017

#26 03.02.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Nun habe ich von Euch auch schon lange nichts mehr gehört! Überhaupt sind wir in den letzten Tagen mit Post nur sehr gering bedacht worden. Das wird sich ja wohl durch das Wetter am besten erklären lassen. Vor allem erwarte ich seit Tagen vergeblich das Eintreffen der interessanten "Auslese"-Hefte, die Du, liebe Großmutter, doch sicher beim Inkrafttreten der neuen Feldpostnummer, die sich zwei Tage später nun aber schon wieder änderte, abgeschickt hast. Im übrigen geht es mir aber weiter an Leib und Seele ausgezeichnet. Wir bleiben nur noch eine Woche in unserer netten Ortsunterkunft. Vor einer Woche marschierten wir 40 km weiter, auf den Rhein zu. Wider Erwarten fanden wir hier eigentlich noch bessere Quartiere vor, als vorher. Da die Kompanie allein in einem Ort liegt, hat jeder Soldat ein Bett bekommen. Ich liege auch wieder sehr nett im Forsthause. Dies hat eigentlich nur den einen Nachteil, dass es so weit bis zum Antreteplatz zu laufen ist und dass außer dem dem schon älteren Revierförster kein Mensch im Hause ist., So führen wir, d.h. der Alte, mein Kamerad und ich ein richtiges Junggesellenleben. Wir haben jeder ein großes Einzelbett, das wir uns allerdings immer selbst machen müssen und auch ums Kaffee kochen u.ä. müssen wir uns selbst kümmern. Das alles ist man als alter Soldat aber ja gewohnt und macht uns nichts aus. Alle möglichen Bequemlichkeiten stehen uns dafür zur Verfügung: ein warmes Zimmer mit schönen Möbeln, vor allem eine Couch und Radio sind Dinge, die man, ebenso wie der saubere Waschtisch im Schlafzimmer, lange nicht mehr gekannt kant. Am Abend sitzen wir meist noch beim Skat lange zusammen. Gestern hat mich nun mein Kumpan mit vielen anderen Kameraden verlassen. Auch meine beiden alten Kompaniekameraden wurden mit versetzt. Bald wird ja wohl Ersatz dafür kommen. Vorerst wird es nun wohl ziemlich einsam sein, aber das tut einem nach dem Dienst auch immer ganz wohl. Am letzten Mittwoch waren wir bei der Tochter des Försters, die mit ihrem Mann eine Sommerfrische im Forstrevier bewohnt. Dort werden jeden Nachmittag die Hirsche gefüttert. Leider waren sie aber diesmal durch zu viele Menschen verscheucht worden und da will ich ein anderes Mal sehen, ob ich Glück habe. Bis heute Mittag habe ich Wache und musste in einer Bude der Reichsbahn mein Nachtquartier beziehen. Schlafen konnte man nicht viel und so ging die Nacht mit Skatspiel herum. Jetzt scheint es ja allmählich etwas wärmer werden zu wollen! Was mag das nur einen Matsch geben, wenn die riesigen Schneemassen mal wegtauen. Unsere Hauptbeschäftigung war in den letzten Tagen überhaupt das Schnee schippen. Der furchtbare Ostwind wehte aber im Nu immer alles wieder zu. Nun ist es ganz windstill geworden. Meine Erkältung bin ich auch endlich los., das machen vor allem die warmen Quartiere. Heute Nachmittag geht die Kompanie in die Stadt ins Kino. Ich bin aber doch zu müde und werde wohl lieber meine Wachfreizeit ausnutzen. Mit den neuen Eindrücken habe ich mich in der neuen Kompanie schnell vertraut gemacht und über meine neuen Kameraden und Vorgesetzten will ich auch nicht klagen. Mit Urlaub sieht es ja nun leider vorläufig ziemlich dünne aus. Im Augenblick habe ich auf gar keine große Sehnsucht nach Haus. Mein jetziges Heim ist nach Lage und Comfort und Bauart fast wie das Osterholzer von Werner Fricke, der bei der Flak ist., erhielt ich gestern einen Brief als Antwort auf meinen Weihnachtsgruß. Es ist doch schön, wenn man mit alten Kameraden wieder Verbindung aufnimmt. Da unn aber mehrere Unteroffiziere versetzt worden sind, steigen die Urlaubsaussichten wieder etwas und dann soll es, auch bei den 5% über kurz oder lang was werden. Mit vielen lieben Grüßen bin ich in der Hoffnung auf ein schönes Wiedersehen

Euer Reinhard.

Sonntag, 16. April 2017

#25 23.01.1940





Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Sicher werdet ihr Euch wundern, schon wieder einen Brief von mir zu erhalten. Kaum habe ich am 20. eine neue Feldpostnummer erhalten, da hat es gestern schon wieder eine Änderung gegeben. Durch eine plötzliche Versetzung in ein anderes Battalion des Regiments mit dem ehemaligen Standort Detmold habe ich nun die neue Nummer 19941.C. Ich habe es nicht schlecht angetroffen in der neuen Umgebung. Vor allen bin ich aus unseren alten Kaff in den 10 km entfernten Flecken gekommen. Man kann sich aufgrund der hier herrschenden Sauberkeit und Ordnung gar nicht vorstellen, dass man noch immer in Hunsrück ist. Mein Quartier ist auch sehr nett. Anstelle der ewigen Toberei in den letzten 6 Wochen habe ich jetzt mit zwei Unteroffizieren zusammen in einem netten Quartier bei einer jungen Frau, deren Mann auch zum Arbeitsdienst eingezogen ist, mit drei Kindern mich niedergelassen. Alles um uns her ist so sauber und freundlich und vor allem haben wir jetzt das langentbehrte Radio. Eben hörten wir die politische Rundschau und jetzt sitze ich beim Abendkonzert am weiß gedeckten Küchentisch und schreibe. Heute habe ich zum ersten Male Dienst gemacht. Der Oberbürgermeister von Detmold führt als Leutnant meinen Zug. Hoffentlich habe ich mit dem mir zugeteilten Leuten Glück, sonst wird es mir als neu hinzugekommener nicht schwer fallen, mir die Leute richtig zu erziehen und auf gegenseitigen Vertrauen eine ordentliche Kampfgemeinschaft zu schweißen. Sicher ist es nicht so leicht aus einem alten Verbande herausgezogen zu werden, aber die neue Umgebung scheint mir doch noch ordentlicher zu sein, wenn man sich erstmal an manche fremde Einrichtung gewöhnt und eingelebt hat. Mit mir wurden noch zwei Unteroffiziere versetzt, die aber bereits in den nächsten Tagen zu einem neu aufgestellten Truppenteil kommen. Ein wunder Punkt ist jetzt die Urlaubsfrage. Ich stand nun schon ziemlich dicht davor, nun ist die Urlauberquote von 15% wieder auf 5% herabgesetzt worden. Nun kann ich als Neuling ja auch nicht gleich mit Urlaubsfragen kommen. Ich denke aber doch, dass man mich gebührend einreihen wird in die Reihe der Glücklichen. Vorläufig habe ich erstmal alles, was ich brauche. Die Kälte will immer noch nicht nachlassen; im Gelände liegt der Schnee stellenweise bis zu einem Meter tief und machte uns heute früh viel zu schaffen. Heute Nachmittag wurde uns der Film "Das Verlegenheitskind", den ich mit der alten Kompanie schon mal gesehen hatte, vorgeführt. Am Donnerstag soll wieder Varieté sein. Am letzten Sonnabend hat meine neue Kompanie einen Manöverball veranstaltet. Meine Erkältung ist sozusagen jetzt endlich vorbei. Ich freue mich schon sehr, wenn ich in den nächsten Tagen wieder die schönen "Auslese"-Hefte bekomme. Ich möchte noch anderen von der Änderung in meinem Dasein und der neuen Feldpostnummer Kenntnis geben und bin darum etwas in Eile.

Mit vielen herzlichen Grüßen und einem lauten "Heil Hitler!"

bin ich Euer

Reinhard

#22 06.01.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Heute will ich das schöne Weihnachtspapier benutzen, um Euch recht herzlich für Eure langen Briefe zu danken. Meine Antwort ist nun nicht von den Ausmaßen wie besonders Großmutters lieber, ausführlicher Bericht. Dazu habe ich nicht genug erlebt, nicht genug Zeit und ich habe noch soviel Dankesschreiben anzufertigen, dass es mir nicht möglich ist. Ich hoffe aber doch, dass die Promptheit mit der ich für die gestern erhaltenen Nachrichten danke, Euch genügen wird. Nachdem wir nun die Festtage hier recht nett verlebt haben ist jetzt mit einer Weiterverlegung ins Moseltal zu rechnen. Das Winterwetter hat sich bis heute gehalten und die schöne Schneelandschaft zieht das Auge an und lockt uns manchen Nachmittag zum Rodeln auf der Dorfstraße hinaus. Am Montag soll in einem benachbarten Dorfe ein Kaffeeklatsch aller Unteroffiziere stattfinden. Da werde ich morgen wohl zum ersten Male nach O. fahren. Am Neujahrstag kam ich nicht dazu, weil ich meinen Waffenrock zum Umtausch gegen einen Funkelnagelneuen abgegeben hatte. Der passt mir nun ausgezeichnet und ich habe mir noch manche andere neue Klamotte organisiert. Von unserem Silvester habe ich Euch ja auch noch nichts erzählt. Unser fröhliches Beisammensein im Quartier wurde um 23:15 Uhr unterbrochen. Das Bataillon, die Leute zum Teil schon ziemlich angeheitert, marschierte hinaus auf eine Höhe. Bei einem diesmal wunderbar lodernden Feuer hielt der Kommandeur eine Ansprache. Eingerahmt von Chorälen, gespielt durch unsere Kapelle. Dazwischen gaben wir uns heimlich unter einander die Hand zum ersten Male im neuen Jahr. Anschließend tat das dann noch der Oberstleutnant jedem Unteroffizier gegenüber. Danach gingen wir einzeln nach Haus zurück. Im Quartier wurde dann noch anständig gebechert und um 03:00 Uhr befriedigt zu Bett gegangen. Im neuen Jahr ist sonst nichts neues passiert und ich will nun noch mal Eure lieben Briefe durchlesen und möglichst beantworten. Das meine Klaue ziemlich doll ist, gebe ich gern zu, aber ziemlich unbeschreiblich ist mir, wie Onkel C.F. mein "Z" mit einer "2" verwechseln konnte. Nun ist der Fall mit der Feldpostnummer aber ja geklärt. Mein Photo scheint allgemein großen Anklang zu finden, ich freue mich, dass es Euch auch so gut gefällt und ich lasse noch welche nachmachen. Ist der alte Volksempfänger denn kaputt? Wir haben leider kein Radio, vielleicht aber ja in dem Moselstädtchen, das sehr viel verspricht. Das wird auch wohl etwas sauberer sein. Das Schönste ist hier in der neuen Schule das Duschbad, das ich soeben wieder voll genossen habe. Vorher hatten wir wieder im Dorfsaal die dritte Varietévorstellung, die in Zusammenarbeit von K.d.F. und Armeekommandeur geboten wurde. Die gewaltige Liebe, die uns tagtäglich die Heimat entgegenbringt berührt uns sehr. Es mag manchmal etwas eigenartig klingen, aber auch im Herzen des rauesten Landsers hinterlässt sie ihren Klang. Meine dumme Erkältung löst sich jetzt allmählich, sie wird leider durch den Temperaturwechsel immer wieder aufgepuscht. 20 Grad Kälte ist bei uns auch keine Sonderheit. Die Künstler brachten uns zum Verkauf Illustrierte mit, das war mal wieder eine schöne Abwechslung. Zu lesen und zu futtern gibts übrigens vom Fest immer noch genug. Die schönen Bücher will ich die Tage nach Haus schicken, da sie sonst zu viel leiden würden und auch beim Transport lästig sind. Es wäre sehr nett, wenn Ihr mir Onkel C.F.'s Hefte übersenden würdet. Man hat doch immer Zeit zum lesen. Ich wollte, ich hätte die viele Freizeit früher im Standort gehabt! Ich freue mich jetzt auch, dass ich meinen Urlaub noch vor mir habe. Auf der Durchreise werde ich bestimmt mal zu Euch kommen und erzählen. In Detmold will man mich auch gern mal haben. Da muss ich mir die 14 Tage, die nun wohl in etwa 1 1/2 Monaten bevorstehen, schon ordentlich einteilen, um jeden gerecht zu werden. So durchgehungert, wir ihr vielleicht meint, bin ich nun ja auch nicht, wenn mein Gesicht auf dem Photo auch ziemlich breit erscheint. Ich glaube ja auch, dass man England im Jahre 40 noch manchen schweren Schlag versetzen wird, ob es bei uns im Westen nochmal zu größeren Komplikationen kommen mag!? Mit Schokolade braucht mich fürs Erste keiner mehr zu bedenken, besonders mit Vollmilchschokolade. Bin ich aus den vielen Päckchen überreich gesegnet. Das Tante Anne einen guten "Lieferanten" hat, ist aber trotzdem nicht zu verachten. Osnabrück und Westfront scheint mir aber trotz des einen Fliegerabschusses doch noch etwas verschiedenes zu sein. Hier geht es ja auch noch immer ruhig zu, aber ganz so dünn wie der tägliche Heeresbericht ist es vorne auch nicht immer. Da ich nun aus vorher erwähnten Gründen nun schließen möchte, will ich Euch noch zum Schluss viele herzliche Grüße und alles Gute senden und wünschen

In aller Frische und einem fröhlichen "Heil Hitler!" danke ich Euch für die Weiterleitung meiner Briefe an Tante Marie und Onkel Franz und bin stets

Euer Reinhard.

Freitag, 14. April 2017

#21 30.12.1939

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Viel neues ist ja begreiflicherweise in den letzten Tagen in unserem Dorf nicht passiert. Trotzdem möchte ich mich herzlichst bei Dir liebe Großmutter, für deinen langen, freundlichen Brief bedanken.

Nun steuern wir langsam auf das Jahresende zu. Man merkt nicht viel davon und da hier im Operationsgebiet bereits um ein Uhr Polizeistunde festgelegt ist und wir zur Mitternachtsstunde einen Bataillonsappell haben werden, wird die Angelegenheit für uns auch nicht so feierlich werden. Heute bekam jeder Mann wieder eine Flasche Wein zugeteilt, die wird wohl bei gemeinsamen Zusammensein vertrunken werden. Von Kolsters in Osterholz erhielt ich gestern noch ein nettes Weihnachtspaket mit allerlei Süßigkeiten, Likör, Weihnachtsherzen und Zahn- und Hautcreme. Es ist überhaupt unbeschreiblich in wie überaus netter Weise die Heimat unserer gedacht hat. Unzählige Pakete und Glückwünsche trafen zum Fest ein! Wohl noch nie war in der Geschichte die Zusammenarbeit zwischen Euch und uns so stark und und wenn diese weiter so durchgeführt wird dürfen wir voll Hoffnung in die Zukunft blicken und den endgültigen Sieg über das Falsche und Böse erwarten! Bei uns herrscht jetzt schneidende Kälte. Da ich am Fenster schlafe, musste ich mir in der letzten Nacht auch einen Mantel anziehen, sonst wäre ich kaputt gegangen. Es war heute Morgen 20 Grad unter Null. Da ist die Arbeit draußen wirklich kein Vergnügen, der Boden ist steinhart, die Wasserleitung auch bald zugefroren. Eine starke Erkältung ist da auch unausbleiblich, geht aber hoffentlich bald vorüber. Ich habe sie jetzt schon seit einer Woche. Eben war ich in der Schule, dem einzigen schönen Haus im Ort, zum Duschen. Zum Glück war warmes Wasser in der Leitung und es wurde zu einem wahren Genuss. Am Neujahrstag gedenke ich nach Oberstein zu fahren, am 2. Festtag kam ich wegen Autopanne nicht dazu. Mit riesigen Jubel hörten wir gestern von der Aufstellung über unsere geringen und der Feindmächte starke Verluste zu See und Luft. Wenn der einzelne Erfolg auch bei Englands gewaltiger Macht nicht viel Ausmacht, die ewigen Schläge müssen doch einst zur Vernichtung führen. Du brauchst Dir um unseren Aufenthaltsort sonst keine Sorge zu machen, wir haben uns nett eingelebt und müssen uns wohl damit abfinden, dass wir noch die grimmigste Winterhälfte hier aushalten. es ist immer noch günstiger, als vorn im Schützenloch zu liegen, womit nicht gesagt sein soll, dass wir uns [nicht] alle danach sehnen den Feind mal wieder direkt gegenüber liegen zu können und ihnen anständige Schläge zu versetzen trachten. Dazu wird es aber noch beizeiten kommen. Ich habe zum Schreiben wieder nicht die nötige Ruhe, man muss sich wegen der Kälte dazu immer in die Küche "zurückziehen", wo den ganzen Tag Krach herrscht. Ich hoffe trotzdem, dass ich Euch mit meinem Brief eine kleine Freude mache und das ihr ihn so auffasst, wie er gemeint ist, ein kleiner bescheidender Dank für Großmutters lieben, langen Brief. Hoffentlich seid ihr mit Onkel Carlfried gut ins neue Jahr hinein gekommen, wenn Euch mein Gruß erreicht. Ich wünsche Euch von Herzen alles Gute und bin in der Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen,

Euer Reinhard.

#20 31.12.1939

Liebe Tante Anne!

Gestern Abend kam noch ein "Nachzügler" von Dir an, eine Postkarte vom 13. Dezember, wofür ich Dir herzlich danke. Mit gleicher Post erhielt ich von Tante Marie ter Meulen ein Weihnachtspaket. Da sie mir aber nicht ihre genaue Adresse angegeben hat und ich mich auch nur erinnern kann, das sie in der Umgegend der Lotterstrasse wohnt, möchte ich dich gebeten haben, mit der richtigen Adresse meinen Dankesbrief nachzusenden. Als wir hier neulich auch einen alten unterirdischen Gang entdeckten, der früher eine Räuberhöhle gewesen sein soll, sprachen unser Leutnant und ich über den Gang in Osnabrück. Das der aber jetzt solche Bedeutung erlangt hat, wundert und erfreut mich sehr. Das meiste habe ich gestern in meinen Brief an Euch geschrieben und ich möchte daher mit vielen herzlichen Grüßen an Dich und Großmutter schließen.

Reinhard.

#19 25.12.1939

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Für Eure netten Weihnachtsgaben sage ich Euch herzlichen Dank. Schon die nette Verpackung machte mir viel Freude. Ich hatte die Pakete alle bis zum Fest verschlossen gehalten. An Heiligabend kam ich aber gar nicht mehr zum auspacken, denn der Postempfang zog sich bis zum Beginn der gemeinsamen Feier hin. Es war wirklich alles sehr nett für uns hergerichtet. Jeder hatte sein besonders zugewiesenes Plätzchen mit einer Flasche Wein, Schnaps, einer Tüte mit Keks und Bonbons, einen Klaben und einem Buch mit der Widmung des Kompanieführers. In einer angemessenen Ansprache ging unser Brigadeführer auf die diesjährige Kriegsweihnacht ein. Zum Schluss wurde nicht wie vorgesehen, "Stille Nacht", sonder das England-Lied gesungen. Das fand ich und die meisten Soldaten nun etwas unweihnachtlich und unangebracht. Anschließend kam unser Nikolaus. Aus seiner "Bibel" las der äußerst kunstvolle Kamerad den besonders beliebten Vorgesetzten ihr Evangelium, begleitet durch Rutenschläge seines Gehilfen Knecht Ruprecht. Ein lustiges Trinkgelage, das zu Hause um 1 Uhr seinen Fortgang nahm, hielt uns noch lange zusammen und wir suchten ziemlich angeduselt unser Lager auf. In dieser Nacht hat niemand gefroren! Heute früh konnte ich dann ans Auspacken meiner vielen Päckchen gehen. Eure Gaben sind sehr angemessen. Die Aufmachung von Tante Annes Buch finde ich äußerst praktisch. An Onkel Carlfrieds lustigen Buch habe ich heute schon viel Spaß gehabt. Großmutters Leckereien und Briefpapier werden erst im Laufe der nächsten Tage zur rechten Geltung kommen. Ich bin jetzt schon gewiss, dass sie mir recht gut munden werden. Vorläufig haben wir an unserem Klaben und den guten Kuchen, die die Frau gebracht hat, genug. Ich kann mit voller Befriedigung auf meine erste Kriegsweihnacht blicken, Manchmal denkt man ja voll wehmütig nach [an] zu Hause, aber es macht einen auch wieder Stolz, zu wissen, dass man unter denen ist, die bereit sind das Vaterland zu jeder Zeit zu schützen. Darüber muss man dann andere Kleinigkeiten vergessen. An meinen Brief und Foto zum Fest habt ihr hoffentlich Freude gefunden?! Draußen ist immer noch herrliches Weihnachtswetter, heute scheint sogar strahlend die Sonne. Von Osterholz sind erst zwei Pakete eingetroffen, das dritte mit den Hauptgeschenken wird hoffentlich bei der heutigen Post sein! Ich hätte Euch noch gerne viele Anderes, und ausführlicher geschrieben, aber dann komme ich bis zum Jahreswechsel nicht durch und werde zuletzt rammdösig vom vielen Schreiben. Sehr erfreute mich der Weihnachtlichen Schokoladengruß von Onkel Franz und Tante Anna. Sicher habe ich das vor allem Dir liebe Großmutter zu verdanken! Hoffentlich ist Onkel Carlfried die ersten beiden Tage nun noch bei Euch gewesen. Sonst wäre es ihm doch sicher sehr einsam geworden und in Euer trautes Zusammensein wäre ein dunkler Schatten geworfen! Zum Neujahrsfest, zu dem ich Euch alles Gute und darüber hinaus ein erfolgreiches Jahr 1940 wünsche, wird Onkel Carlfried sonst
vielleicht dort sein können. In etwa zwei Monaten kommt dann auch die schöne Urlaubszeit. In Osnabrück kann ich dann wohl mal kurz vorsprechen. Die Freude darauf gibt in dem manchmal sturen Dasein neue Kraft!

Mit vielen herzlichen Grüßen und nochmals Wünschen für das neue Jahr

bin ich

Euer Reinhard.

Bitte sendet, da Adresse entfallen, Karte an Onkel Franz weiter. Ab 20.01. haben wir Feldpostnummer 06902 b.

Dienstag, 11. April 2017

#17 10.12.1939


10.12.1939

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Großmutters lieber langer Brief hat mich wieder sehr überrascht und erfreut. Man hat uns nun doch nicht länger in unserem netten Standort liegen lassen, sondern uns Sonnabend früh in ein kleines Dorf in Hunsrück verlegt. Es ist, wie alle Dörfer in dieser Gegend, schmutzig und schlicht. Das fällt besonders auf, wenn man aus der Stadt kommt und es fortwährend regnet. Die Leute sind aber recht nett und zu fünf Unteroffizieren in zwei Betten und einer Chaiselongue liegen wir zwar eng, aber doch ganz ordentlich. Gestern Abend war es im Dorfkrug auch ganz amüsant. Wir wären aber doch froh, wenn es Dienstag ins Moseltal weiterginge. Weihnachten möchte ich jedenfalls nicht gern hier verbringen! Jetzt sitzen wir alle in der Küche und schreiben, dazu das Gekreische des sechsjährigen Töchterchens. Es ist aber der einzige warme Raum. Am letzten Tage in der Kaserne hatte ich nochmal UvD. Eigentlich hätte ich schon eine Woche früher Dienst haben sollen, aber da hatte mein Vorgänger vier Tage aufgebrummt gekriegt, weil er die Kompanie zu spät weckte und raus treten ließ. Ich habe schon mal eine halbe Stunde zu spät geweckt, aber der "Verein" kam noch rechtzeitig zum Dienst heraus. Und da hat der "Spieß" nichts gesagt. Mit unserem Leutnant haben wir weiterhin das beste Einvernehmen. Unser Kompanieführer ist auch ein sehr feiner Mensch, der SA Brigadeführer von Detmold. Etwas sind die Urlaubsaussichten jetzt verbessert, aber ich muss mich doch wohl noch bis mindestens März gedulden. Ob Onkel Carlfried wohl wenigstens Weihnachten daheim sein wird!? Aus unserem schönen Plan, uns ein Radiogerät zuzulegen, ist unter den jetzigen Umständen nun auch nichts geworden. Hier die Leute haben leider auch ihren Apparat abgegeben. Das Bremen einen Extrasender hat wusste ich noch nicht. Die Politik wollen wir nur ruhig ihre komischen Wege weitergehen lassen. Unser unerschütterlichen Siegeswillen und die Zusammenarbeit mit der Heimat wird uns nichts im Stich lassen! Dass das Osnabrücker Regiment zu Haus ist, hat sich auch hier als "Parole" herausgestellt. Kurts Primazeugnis ist ja wieder sehr erfreulich, besonders da er noch nicht einmal im Turnen eine Zensur erhielt! Es freut mich, dass Du dich, liebe Großmutter, in Osterholz so gut erholt hast und es dir so gut geht. Meine Gesundheit ist auch in bester Ordnung. Sonst ist nichts neues an "Bord". An Onkel L.F. schrieb ich neulich kurz. Er hat wohl keine Zeit zum Schreiben?! Mit vielen herzlichen und den besten Adventswünschen bin ich

Euer Reinhard

Montag, 10. April 2017

#15 26.11.1939


26.11.1939


Liebe Großmutter, Liebe Tante Anne!

Für Eure beiden, so überaus reichhaltigen, guten Nachrichten hätte ich mich eigentlich schon etwas eher bedanken müssen. In der letzten Woche kamen aber mehrere größere Geländeübungen dazwischen und da habe ich, es bis Sonntag hinaus geschoben. Wir hingen noch immer in unserem Städtchen. Gestern machten wir wieder einen 50 km Marsch mit Geländeübung. Als wir so stundenlang auf einer freien Fläche dem Winde ausgesetzt standen, lief uns plötzlich ein Hase in die Quere. Alles schoss mit großem Hallo darauf los. Das sah gerade die Battallion höher und ordnete für die Kompanie bis auf weiteres Ausgangsverbot an. (Den Hasen haben wir trotzdem nicht gekriegt). Nun sitzen wir, Gott sei dank bei scheußlichem Wetter, in unserer Bude und vertreiben uns den Sonntag. Heute morgen wurde bis zum Mittag gepennt und dadurch das Frühstück eingespart, eben Karten gespielt und jetzt habe ich noch allerhand zu schreiben und einen Roman zu lesen. Gestern stellte ich übrigens eine tolle Sache fest. Seit einigen Tagen haben wir einen neuen Leutnant als Truppenführer aus Osnabrück bekommen. Er hat dort auch gedient. Nun hörte ich nämlich, dass wir von dem Osnabrücker Regiment und zwar einen Zug unter Leutnant Nausch  abgelöst hätten. Das konnte ja wohl nur mein alter Freund Georg sein, der damals nach Kiel umzog, als wir nach Osterholz kamen. Als ich unseren Leutnant fragte, ob er den kenne, sagte er, dass Nausch früher bei ihnen in der Riedenstraße oben im Haus gewohnt hätten. Ich erinnere mich jetzt, dass wir früher unten im Nausch`schen Hause einen älteren Kameraden, von Namen Rüdiger hatten und das ist unser Leutnant Schache der befreundet ist mit Heinz Docht, der mit Kolsters in Osterholz verwandt ist. Die Welt ist doch klein! Das „Wiedersehen“ machte uns beiden ungeheuren Spaß und wir wollen gelegentlich mal wieder mit Georg Nausch in Verbindung treten und alte Erinnerungen wieder auffrischen. Nehmt mir bitte nicht übel, wenn ich Euch darauf hinweise, dass es zwar gut gemeint, aber für mich hätte böse Folgen haben können, als ihr beide schriebt, von mir Ansichtskarten aus einer bestimmten Stadt erhalten zu haben. Es ist man gut, dass es nicht heraus gekommen ist. Kurt hat den selben Bock sogar auf offener Karte geschossen. Wofür ich ihm schon tüchtig eins ausgewischt habe. So schlimm ist es aber wohl nicht mehr mit der Geheimhaltung der Standorte, denn schon sehr viele Offiziere haben ihre Frauen hier und denen müssen sie ja auch geschrieben haben, wo wir hingehen. Allmählich fängt unser Regiment jetzt auch mit Beurlaubungen an, aber vor Verheirateten muss sich als junger Unteroffizier vorerst noch zurücktreten und habe bei der jetzigen Regelung wohl noch ein viertel Jahr Zeit! Wenn Tante Anne bis abends bei Verdunklung durch die Straßen gehen würde, wäre sie sicher auch schon oft einem Landser unter die Arme gefallen, das kommt des öfteren vor! Übrigens doch ein Kompliment, dass man sie noch für 20 Jahre jung gehalten hat! Mit unendlicher Freude erfüllte uns die Aufdeckung des Münchner Attentats! Unter Rudolph Meyer hatte ich mir so was Ähnliches vorgestellt. Besten Dank für die näheren Angaben! Die [...]sammelstelle ist fortgefallen. Man erzählt sich hier, die Osnabrücker seien wieder daheim. Stimmt das? Für uns kommt das vorläufig wohl noch nicht in Frage. Es freut mich sehr, dass sich Großmutter so gut wieder eingelebt hat. Auf dem schönen Papier lässt es sich mit dem reparierten Füllhalter vortrefflich schreiben. Hier in der Stadt sah ich übrigens auch den Film von der Edelsteinschleiferei, ich glaube in Verbindung mit „Es war eine rauschende Ballnacht!“
Besonders musikalisch gefiel mir dieser Film ausgezeichnet. Am selben Tage hatten wir uns dieses Handwerk persönlich angesehen. Die Einwohner lachten, als sie so viele Bekannte auf der Leinwand sahen. Jetzt leben wir weiter in den Tag hinein und es gefällt uns immer noch recht gut. Ob wir auch wohl Weihnachten noch hier feiern?! Von Onkel Carlfried habe ich auch noch keine Nachricht, er hat auch wohl zu wenig Zeit. Erikas Zeugnis finde ich auch ganz ordentlich, nach Kurts Meinung hat sie den 5.-6. Klassenplatz. Von den täglichen politischen Ereignissen können wir durch Zeitungen in der Kaserne und Wochenschau im Rundfunk in der Stadt viel mitkriegen. Hoffentlich kommt ihr beiden weiterhin gut aus und geht es euch gesundheitlich recht befriedigend. Ich habe mir bei dem scheußlichen Wetter in den letzten Tagen eine Erkältung zugezogen. In der Kaserne ist es dann immer so warm, besonders wenn die Fenster dicht verhängt sind. Bald wird es aber wohl wieder vorüber sein.
Mit herzlichen Grüßen bin ich Euer Enkel und Neffe,

Reinhard

#40 21.06.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne! Wir erfreut war ich, von Euch schon wieder so ein leckeres Paket mit einem lieben Brief zu erhalten. ...