Freitag, 5. Mai 2017

#34 25.04.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Nun werdet ihr sicher allmählich mal wieder Nachricht von mir erwarten. Durch den ziemlich reichlichen Dienst und das viele Interessante, was uns Danzig bietet, ist man gar nicht mehr zum Schreiben gekommen. Nun habe ich heute mal eine Mittagspause geopfert, um meine Briefschaften zu erledigen. Wahrscheinlich werden wir zum 20.05. nun nach Görlitz kommen. Bis dahin werden wir an drei Nachmittagen die Woche nochmal ganz elementar ausgebildet und uns alle, die kleinen militärischen Begriffe, die wir morgens den Rekruten übermitteln müssen, ins Gedächtnis zurückrufen. Vor der Abkommandierung hoffen wir noch ein paar Tage Urlaub zu bekommen, die uns an sich auch zustehen. Hier wird es mit jedem Tage schöner, wenn es auch noch kaum grünen will. Vorherigen Sonntag in Zoppot war es herrlich, aber auch noch reichlich früh in der Jahreszeit. Nachdem ich vor 1 1/2 Wochen die prachtvolle Aufführung von "Tristan und Isolde" gesehen hatte, beeindruckte mich am Sonntag "Tosca" mit einem italienischen Tenor. So was hat man im Hunsrück ja nun alles nicht gehabt. Zu Hitlers Geburtstag wurde ich Abends als einer der Vertreter zu einer Feierstunde der Partei entsandt. Die ausgezeichnete Rede des Danziger Kreisleiters wurde umrahmt von Darbietungen des Nationalsozialistischen Sinfonieorchesters. Wir sind überhaupt oft in der Stadt und erfreuen uns an Café, Tanz und Kinos. In unserer bisherigen Unterkunft war es uns doch reichlich eng und ungemütlich geworden. Wir haben den Spieß solange gequält, bis er uns in einem anderem Kasernengebäude ein großes, freies Zimmer angewiesen hat. Wir haben nun zwar immer einige 100m zum Kompaniegebäude. Die nehmen wir aber gern in Kauf, wenn wir dafür nach dem Dienst unsere Ruhe haben. Morgen wird wieder ein Marsch sein. Endlich sind meine Rekruten wieder aus ihrer Isolierung herausgezogen worden. Ich bin erfreut, wie weit sie trotz des Aussetzens, in ihren Leistungen und ihrem Diensteifer sind. Als Belohnung verschaffte ich ihnen gestern einen dienstfreien Nachmittag. Ich selbst musste aber wegen der [...] auf dem Kasernenhof bleiben und konnte erst am Abend ausgehen. In der letzten Woche musste ich mir einen Backenzahn ziehen lassen. Dadurch haben die Anderen, die ebenso wie bei Mutti, sehr eng stehen, mehr Platz zum ausdehnen bekommen. Ich habe mich an die Lücke im Gebiss jetzt ganz gewöhnt. Unter Erkältung habe ich auch nicht mehr zu leiden. Ich habe Heute wohl mal wieder sehr geschmiert?! So viel Lust, wie an der Front, hat man hier, wegen der vielen Unterhaltungen, natürlich nicht. Ein Radio wollen wir uns auch noch zu leihen versuchen. Das ist doch in der jetzigen Zeit unersetzlich. Euch geht es hoffentlich auch weiter recht gut! Mit vielen herzlichen Grüßen bin ich in alter Frische

Euer Reinhard.

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#40 21.06.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne! Wir erfreut war ich, von Euch schon wieder so ein leckeres Paket mit einem lieben Brief zu erhalten. ...