Freitag, 5. Mai 2017

#31 10.03.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Soeben erhalte ich mit vieler anderer Post Großmutters lieben, langen Brief vom 06. ich hatte mir sowieso vorgenommen, Euch heute zu schreiben, aber so tue ich es noch viel lieber. Wie Ihr aus Osterholz vielleicht schon gehört habt, bin ich seit letzten Dienstag wieder aus dem schönen Forsthaus heraus und habe in einer neuen Ortschaft Quartier gemacht. Ich wohne jetzt mit noch zwei Kameraden, die bei unserer Verlegung zum Feldwebel befördert wurden, zusammen beim Ortsbauernführer. An Herrschaftlichkeit und Gemütlichkeit lässt sich das jetzige Quartier ja mit dem Alten nicht vergleichen. Man hat sich aber als Soldat überall schnell eingewöhnt und zu verachten ist auch nicht die zusätzlichen warmen Abendessen, die wir hier täglich bekommen. Zu drei Mann müssen wir uns über die zwei großen Betten einigen. Einmal hatten die beiden Kameraden ihr Reich sowieso für sich, als ich von Donnerstag auf Freitag U.v.D. hatte und auf der Schreibstube übernachten musste. Zweimal habe ich allein geschlafen, da die beiden frischgebackenen Feldwebel erst sehr spät von ihren Beförderungsfestlichkeiten zurück kamen. Im Kreise des gesamten Unteroffizierkorps war diese gestern. Am Nachmittag wurde erst "einer ausgeschossen", um den beiden die Sache nicht zu teuer zu machen und gestern Abend wurde dann bis halb drei Uhr dem Bier und Schnaps zugetrunken. Nach alter Sitte musste von den neuen Portepeeträgern eine Säbelscheide voll getrunken werden. Hinterher kamen dann noch die nächsten Aspiranten an die Reihe, zu denen ich mich auch zählen darf und so schon etwas übte. Heute früh mussten wir um halb acht Uhr schon wieder stehen zur Heldengedenkfeier. Diese wurde mit den Organisationen der Partei, der Gemeinde unter Leitung unseres Kompanieführers auf dem Friedhof abgehalten. Nun bin ich wieder daheim, wir warten auf den Beginn der Festlichkeiten in Berlin. Ob es heute Nachmittag noch zu einem Spaziergang an den Rhein reichen wird, oder ob wir besser schlafen? Mitte letzter Woche fuhr außer mir der letzte Unteroffizier in Urlaub. Wenn es nun so weiter geht, etwas anderes möchte ich wirklich nicht annehmen, bin ich also in gut einer Woche doch an der Reihe. Wenn ich nun wirklich zu Ostern und Muttis Geburtstag daheim wäre, wäre das doch das Schönste, was man sich denken könnte. Wenn es diesmal nicht klappt, werde ich aber doch energisch meine Rechte auf der Schreibstube geltend machen. Diesmal dürfen wir also mit Sicherheit annehmen, dass ich Mitte nächster Woche in Osnabrück sein kann. Es wird wohl am Besten sein, wenn ich auf der Hinfahrt bei Euch Station mache. Wenn es so wird, dann haben wir, glaube ich, alles bisher versäumte wieder wett gemacht. Ich würde mich herzlich freuen, Eurem wochen- und monatelangen Warten nun endlich ein Ende bereiten zu können. Die letzten "Auslese"-Hefte, die ich 1 1/2 durchgelesen habe, werde ich wohl noch zum Ende der Woche schicken und dann nach Möglichkeit genaueres über den Urlaub schreiben. Einen Skatklub haben wir auch jetzt wieder beisammen. Wie ich aber ja schon oben andeutete, ist zur Zeit noch erst was anderes zu erledigen. Das Schloßufer Konzert fällt ja vielleicht gerade in meinen Urlaub, es wird aber wohl nichts mehr zu machen sein bez. Karten. Ich freue mich schon auf die erste Theatervorstellung in Bremen seit langer Zeit. In der Mitte des Urlaubs wollte ich ja auch einen Abstecher nach Lippe machen. Es freut mich, dass Du, liebe Großmutter, trotz des Wegfalls der Stütze einigermaßen durchkommst. Zur Zeit liegt noch immer Schnee. Wir wollen aber alle hoffen, dass es zu Ostern warm und trocken ist, damit man die 14 Tage recht genießen kann. Tante Anne schafft es hoffentlich auch, trotz mancher Überstunde. Das ist nun mal alles unerlässlich und wird sicher eines Tages reich belohnt. Wir hören auch immer die Nachrichten im Radio, am liebsten die Fritzsche Zeitungsschau, die Frontberichte sind doch manchmal ziemliche Theaterspielerei. Was ist das denn für ein Onkel Theo Heyn, von dem Großmutter schreibt? Wohnt der in Österreich und hat die Söhne, die in Führerzeit von dem Alten Dollfuss-System so unterdrückt wurden. Davon habe ich ja schon mal was gehört. Es freut mich sehr, dass Onkel Carlfried nun doch glücklich untergekommen ist. Vielleicht kann ich ihn ja kurz auf der Durchreise aufsuchen, möchte das aber vorerst noch sehr bezweifeln, zumal die Bahnverbindungen so schlecht sind, wir keine D- und Eilzüge benutzen dürfen und ich natürlich schnell nach Osterholz möchte. Die Feldpostnummer ist doch immer schon auf dem Stempel gewesen? Ihr werdet meinen Urlaubsaussichten wohl kaum Glauben schenken können, aber ihr sollt mal sehen, was wird. Auf ein hoffentlich gesundes und frohes Wiedersehen in der Kar-Woche und vielen herzlichen Grüßen

Euer Reinhard

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#40 21.06.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne! Wir erfreut war ich, von Euch schon wieder so ein leckeres Paket mit einem lieben Brief zu erhalten. ...