Samstag, 29. April 2017

#29 22.02.1940



Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Gern hätte ich ja schon zwei der schönen „Auslese“- Hefte zurückgesandt, aber nun bin ich in der letzten Woche doch so wenig zum Lesen gekommen, dass das erst bei meinem nächsten Brief möglich sein wird. Jeden Abend wird Skat gekloppt, am letzten Sonntag hatte ich U.v.D. (Unteroffizier vomDienst) und sonst habe ich mich auch immer viel für den Dienst vorzubereiten, dass nicht viel Zeit übrig bleibt. Trotzdem hatten wir gestern unseren dienstfreien Mittwochnachmittag, den ich zu einer Tour in die Stadt mit meinen Kameraden ausnutzte. Hier fuhren wir per Eisenbahn. Außer Café und Kino war in der durch Militär überfüllten Nacht auch nichts los. Zurück nahm uns ein Feldwebel in seinem Wehrmachtswagen mit. Mein Quartierkamerad hat von gestern bis heute Mittag im Wahllokal im Dorf als U.v.D. Quartier beziehen müssen. Vor ein paar Tagen bekamen wir ein Hirschkalb in unserem Stall, das aber trotz der Pflege den Winter nicht überstanden hat. Jetzt wird es aber doch wärmer. Die Sonne scheint, es ist ganz klares Wetter. Immer mehr löst sich Eis und Schnee in dichten Matsch auf. Danach kommt dann hoffentlich ein warmer Frühling. Unser Spülstein bemüht sich auch allmählich, nach 3 Wochen wieder aufzutauen, ebenso hoffentlich bald das Klosett. Wenn erst einmal keine Kohlen mehr nötig sind, sieht es alles , auch besonders für Euch, schon rosiger aus. Der Engländer hat sich mit der „Altmark“ja mal wieder in deiner ganzen rücksichtslosen Handlungsweise gezeigt. Lange wird aber die gerechte Strafe nicht auf sich warten lassen. Görings Rede machte uns, obwohl sie manchmal ja nur für Fachleute war, einen gewaltigen Eindruck. Er hat so eine fabelhafte Ausdrucksweise,um das Volk mitzureißen. Ebenso gefallen uns immer sehr die Zeitungsschauen von Fritzsche. Tante Marie ter Meulen sandte mir jetzt ein nettes Paket mit Büchern, Keks und Bonbons. Sie hatte es das erste Mal zurückerhalten, weil sie mein c mit einer 6 verwechselt hatte. Eben wird mir wieder mein Mittagessen, Graupensuppe, gebracht. Morgen ist Scharfschießen. Besonderes passiert hier eigentlich sonst nicht. Mir geht es an Leib und Seele weiter gut, was ich auch von Euch hoffen möchte. Mit vielen herzlichen Grüßen bin ich stets,

Euer Reinhard

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#40 21.06.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne! Wir erfreut war ich, von Euch schon wieder so ein leckeres Paket mit einem lieben Brief zu erhalten. ...