Montag, 10. April 2017

#14 10.11.1939


Nr. 14
10.11.1939

Liebe Großmutter, Liebe Tante Anne!

Meine Postkarte von vorgestern wird euch inzwischen erreicht haben. Ich habe mir wie gesagt, vorgestern nicht die Zeit zum längeren Schreiben genommen. Nachdem wir nach vielen Wochen zum ersten Male wieder in einer größeren Stadt einmarschiert waren, wollen wir das erst mal ausnutzen. Das schöne Briefpapier von Großmutter und der beiliegende liebe Brief kamen auch erst so spät in meine Hand, dass Ihr mein spätes Bedanken entschuldigen werdet. Zum Lesen von Tante Annes Büchlein bin ich leider noch nicht gekommen, es ist aber ja ganz schön, dass ich noch für die kommende Zeit was habe. Gestern, nachdem ich die Führerrede und von dem furchtbaren Attentat in der neuen Zeitung gelesen habe, gingen wir mit der ganzen Kompanie aus. Wir besichtigten eine Heimwerksstätte für Edelsteinschleiferei und eine Ausstellung mit wertvollen Schmuckstücken. Anschließend gingen wir gruppenweise noch etwas in die Stadt. Am Abend war das Unteroffizierkorps in der Kantine zu ein paar lustigen Stunden versammelt. Bei schönem Wetter genießen wir hier die wundervolle Gegend. Der 60 km- Marsch, der uns über Täler und Hügel hierher brachte war keineswegs von Pappe. Oft mussten wir den Pferden helfen, die Wagen die steilen Straßen hinauf zu schaffen. Jetzt aber sind wir stolz auf unsere Leistung und es geht uns ausgezeichnet. Der Blick aus unserem Kasernenfenster, wir liegen mit drei Unteroffizieren auf einer Stube, erfreut uns immer wieder. Wir liegen hoch über der Stadt und haben einen herrlichen Fernblick. Wir haben uns hier nicht weiter eingerichtet und nehmen an, dass wir, vielleicht heute Abend schon, wieder abrücken und dann verladen werden. Man erfährt so was genau aber erst immer auf die letzte Minute. Hoffentlich bist Du, liebe Großmutter, gesund und munter nach Osnabrück zurückgekehrt und kannst Du wenigstens manchmal mit Tante Anne zusammen sein. Mutti scheint sich ja auch schwer mit dem Abschied und mit dem Abgang Adelines abgefunden zu haben. Das sind aber nun mal alles Kriegserscheinungen, die Ihr wie wir auf uns nehmen müssen. Meine rheumatischen Schmerzen und die Erkältung sind in warmen Zimmern schnell wieder geschwunden und ich bin gesund wie ein Fisch im Wasser. Das hoffe ich auch von Euch für alle Zukunft und grüße Euch herzlichst,

Euer Reinhard

Von Onkel Karl und Tante Tilde erhielt ich vor Tagen auch noch einen Geburtstagsglückwunsch, für den ich mich auch heute bedanken werde. Haben die denn einen Sohn mit Namen Rudolph, da hätte ich noch nie etwas von gehört. Oder wer ist damit gemeint? Ich wäre Euch dankbar für eine Erklärung.

Reinhard

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#40 21.06.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne! Wir erfreut war ich, von Euch schon wieder so ein leckeres Paket mit einem lieben Brief zu erhalten. ...