Dienstag, 16. Mai 2017

#37.2 27.05.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne !

Zunächst vielen herzlichen Dank für die beiden lieben Briefe von Großmutter und Tante Annes nette Beilage. Wieder ist ein Tag, damit die erste Woche hier rum. Es ist jetzt sehr warm, auch auf den Zimmern, dass ich, nachdem ich meine schriftlichen Arbeiten erledigt habe und man uns heute im Gelände wieder ordentlich frisch gemacht hat, nur wenig Lust verspüre, noch zu schreiben. Aber auf so viele liebe Grüße muss man doch antworten. Wir wollen immer noch sagen, wenn es nicht schlimmer wird, wie bisher, dann halten wir die paar Wochen schon aus. Angeblich ist das aber erst die Auflaufwoche gewesen, aber durchgehalten wird trotzdem, da wir alle wissen, was auf dem Spiele steht. Nachdem ich Sonnabend zum ersten Male raus war, und mir Potsdam angesehen habe, fuhr ich gestern früh mit der S-Bahn nach Berlin, das ich ja immer schon gern kennenlernen wollte. Unangenehm war nur die blöde Hitze, sonst gefiel mir die Stadt mit den abwechslungsreichen Grünanlagen zwischen den hohen Gebäuden ganz wunderbar. Ich sah mir Siegessäule, Brandenburger Tor, die Linden mit Aufziehen der Wache am Ehrenmal, Zeughaus und Luftfahrtministerium an, wo ich von einem wachhabenden Kameraden durch verschiedene Räume geführt wurde. Abends war ich im Kaffee Vaterland. In Potsdam ist sehr wenig los, aber es ist doch ganz reizend. Wenn es nun erst hinaus geht auf Wannsee etc.!! Dann wird es ebenso schön, wie vorher Danzig, nur wir haben außer dem Wochenende keine Zeit zum Amüsieren. Obwohl wir uns ganz umstellen müssen und man hier nur zu gehorchen hat, bekommt man doch einen ausgezeichneten Überblick über die gesamte Ausbildung, die späteren Offizier unerlässlich ist. Vielen Dank auch für die sicher bei Euch auch sehr knappen Brotmarken. Die nahm ich mit besonderer Freude entgegen, denn Kuchen ist nach dem Essen immer sehr begehrt, wenn er auch sehr wenig nach Frieden schmeckt. An die nur drei Mahlzeiten gewöhnt man sich allmählich, freut sich aber doch, wenn man dazwischen nochmal was einstecken kann, aber viel Zeit ist dazu meist ja auch nicht. Auf den Übungsplatz Döberitz werden wir ganz vornehm mit Autos gefahren, es ist auch sonst zu weit. Heinz Docks Tod tut mir auch sehr leid, aber es ist eben nicht zu ändern. Immerhin dürfen wir mit unseren Verlusten im Verhältnis zu den märchenhaften Erfolgen sehr zufrieden sein, glaube ich. Mein Freund Heinz Schlehen aus Osterholz ist ja auch wieder aufgetaucht und hat sich gleich verlobt. Radio steht uns jetzt leider nicht zur Verfügung, es ist auch keins leihweise zu bekommen oder zu kaufen. Wir müssen mit der "Nachtausgabe" begnügen. Manchmal würde Radio uns ja auch wohl nur beim Arbeiten stören. Wo unsere Kameraden jetzt vorn am Feind stehen, ist es unsere Pflicht in der Heimat jetzt alles, was möglich ist, heraus zu holen. Man hat uns nun einmal an diesen Platz gewiesen und da wollen wir auch versuchen, allen Forderungen gerecht zu werden, wenn es auch nicht leicht sein wird. Mit dem schönen Flirten von Danziger Art hat es nun erst mal wieder bis August Zeit! Die Sportprüfung am ersten Tage hier sollte nur einen allgemeinen Überblick verschaffen, nur die großen Leuchten wurden vorgemerkt und ein paar ganz Unbeholfene schon jetzt wieder weggeschickt. Ich leistete mehr, als ich, ohne ein Jahr Training, erwartet hatte und hielt mich gut im Durchschnitt. Es wurde sonst nicht weiter darauf eingegangen und wegen Mangels an Zeit und da alles drängt wird der Sportplatz ganz in den drei Monaten in den Hintergrund rücken. Die vorherigen Jahrgänge haben nie Sport gemacht. Das Schwimmbad steht dummerweise nicht frei zur Verfügung. Das wäre doch Abends mal schön, wenn man aus Zeitmangel nicht raus kann. Hier ist außer Mittwoch und den Wochenendtagen schon immer 11:00 Uhr Zapfenstreich, vielleicht auch ganz vernünftig. Trotz des solideren Lebens ist man aber morgens viel trauriger, als in Danzig, wo man oft erst um 02:00 Uhr ins Bett kam. Ein Paket von Mutti erwarte ich schon seit Tagen vergeblich. Es wäre schön, wenn ich Pumpernickel und Marmelade bekäme! Wir haben zwar einen Behälter für beim Frühstück und Abendessen übrig gebliebene Verpflegung, aber meist geht sie leer wieder mit zurück. Durch die Geschichte mit den katholischen Kirchgängern bin ich nicht ganz durch gefunden. Sind damit die Untermieter gemeint? Das ist mit der "Goldenen Irma" mal zu Ende ging, war ja wohl nicht anders zu erwarten. Ein paar Adressen habe ich, schon in Berlins Umgebung, wo ich mal runter kommen kann. Erst will ich aber mal die Stadt mit allen Sehenswürdigkeiten kennen lernen. Wenn nun auch mein Brief nur eine bescheidene, flüchtige Antwort ist, so bitte ich das zu verstehen. Hoffen wir auf weiter so schöne Erfolge, wie in den letzten Tagen und Wochen und dass wir gelegentlich auch mal was davon mitkriegen. Darauf mache ich mir vorläufig aber keine Hoffnung, im August werden wir sicher erst wieder ausbilden. Viele herzliche Grüße mit nochmals vielen Dank für die liebe briefliche Unterstützung

stets Euer Reinhard

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#40 21.06.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne! Wir erfreut war ich, von Euch schon wieder so ein leckeres Paket mit einem lieben Brief zu erhalten. ...