Sonntag, 23. April 2017

#27 05.02.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Die beiden letzten lieben Briefe, die mich sehr erfreuten, veranlassen mich, obwohl ich erst vorgestern einen losgelassen habe, heute schon wieder zu schreiben. Außerdem schreibt mein Kumpan jetzt auch, und da im Augenblick nichts im Radio ist, wäre es mir sonst zu langweilig. Der Unteroffizier mit dem ich zuerst hier zusammen lag, wurde ja am Freitag mit meinen beiden alten Kompaniekameraden weiter versetzt. Am Sonnabendmorgen kam ein anderer, hierher versetzter R.O.A. (Reserve Offizier Anwärter) zu mir ins Wachlokal. Da er noch kein Quartier hatte, empfahl ich ihm zu mir zu ziehen. Jetzt ist er ebenso begeistert von unserem Forsthaus wie ich. Man ist hier nach des Tages Dienst so ganz abgeschlossen von jedem Kommiss und der Spieß macht sich nicht die Mühe, uns nach dem Dienst noch zur besonderen Verwendung heranzuholen. Das war zum Beispiel Gestern am Sonntag der Fall, als mehrere Unteroffiziere mit Mannschaften am Nachmittag zum Schneeschippen fort mussten. Heute früh wurden wir beiden, die inzwischen gute Freunde geworden sind, sogar schon beim Antreten entlassen, da der Spieß uns nicht gebrauchte. So konnten wir dann den Morgen in unserem trauten Heim zu bringen. Draußen ist es sehr diesig, trotzdem musste ich heute früh mein MG zum Fliegerschutz aufbauen lassen, habe jetzt aber nichts mehr damit zu tun. Mit dem Urlaub wird es nun leider doch noch mehrere Wochen dauern, der Hauptmann ist sehr kleinlich und will die wenigen noch zu beurlaubenden Unteroffiziere nicht eher fahren lassen, bis dass auch ein entsprechender Teil von Männern zu Hause gewesen ist. Von mir aus kann es auch ruhig dafür noch etwas frühlingsmäßiger werden, einmal muss ich doch fortkommen. Sehr leid tut mir die Angelegenheit nur um Eurer, besonders Muttis willen, da ich seit Pfingsten nicht mehr in Osterholz war und sie mich danach auch nur einmal einen Tag in Detmold gesehen hat. Mit der Höhle in Osnabrück scheint es ja doch etwas ganz besonderes auf sich zu haben. Für die Übersendung der Zeitungsausschnitte davon danke ich Dir, liebe Großmutter, herzlich, ebenso über die Mondtabelle. Manchmal ist es für uns sehr wichtig, zu wissen ob die Nächte mondhell sind, oder nicht. Die zweite Sendung "Auslese"-Hefte ist noch nicht eingetroffen, die erste ist hoffentlich doch unbeschädigt zurückgegangen. Ich werde also das nächste Mal nach Möglichkeit fester verpacken. Die Postbeförderung scheint übrigens jetzt wieder in Ordnung zu sein. Am Sonnabend bekam ich sieben Briefe, vom 19. - 30. Januar die scheinbar in der alten Kompanie aufgestapelt worden sind. Die Verlegung nach hier ist auch wohl mit Schuld daran, dass nicht alles so prompt in meine Hand kam. Mit Euren Heizverhältnissen habt Ihr hoffentlich nicht allzu große Schwierigkeiten gehabt und Euch keine Erkältung zu gezogen. Bei der zunehmenden Wärme wird es ja wohl wieder alles in Ordnung sein. Mit Kinobesuch ist das zur Zeit so eine Sache, wir dürfen nicht ohne Genehmigung den Standort verlassen, und die bekommt man nur schwer. Da müssen wir schon mal warten, bis wir wieder in eine Stadt kommen. Hier das Leben hat aber auch unzweifelhafte Vorteile, vor allem die Ruhe. Mit Kurts und Erikas Schulbesuch sieht es ja jetzt dumm aus wegen der Zugverbindungen. Ich weiß auch nicht, wie man da Abhilfe schaffen kann. Sonst scheint, zu meiner Befriedigung zu Hause aber ja alles in Ordnung zu sein. Besonders bei der Kälte ist es nicht so schlimm, zu zweien im Bett zu schlafen, wenn nur in unserer früheren Unterkunft es nicht so zugig gewesen wäre und das Plumeau etwas größer. Jetzt hat aber ja jeder das Vergnügen, ein Bett für sich in einem schönen, großen Schlafzimmer zu haben. Mit meiner neuen Mannschaft und den anderen Unteroffizieren bin ich sehr zufrieden. Mein jetziger Quartierkumpan hat meine Leute als Rekruten ausgebildet und sie sind jetzt sehr stramm und folgsam. Ich werde schon, wenn es mal wieder nach Vorn geht, mit ihnen fertig werden. Die Führerrede hat auch auf uns einen großen Eindruck gemacht. Ich hörte sie sogar am nächsten Mittag noch einmal. Der Oberbürgermeister von D.(Detmold) ist erst seit einigen Wochen Leutnant. Er ist ein rechter Nationalsozialist und allgemein beliebt, nicht so der Hauptmann. Beide kennen Onkel Julius. Der Oberbürgermeister ist annähernd 35 Jahre alt, Hauptmann Petri vielleicht 10 Jahre älter. Von Osnabrücker Varieté- und Nationaltheaterkünstlern habe ich noch nichts gehört. Es ist auch jetzt längere Zeit nichts mehr gewesen. Am Kinobesuch nahm ich am Sonnabend wegen Übermüdung nach den 24 fast schlaflosen Wachstunden nicht teil. Morgen soll es in die Stadt zum Baden gehen und vielleicht hinterher wieder ins Kino. Baden ist seit 14 Tagen auch mal wieder nötig. Wir leiden hier draußen sehr unter Wasserknappheit, da die Leitung noch gefroren ist. Hoffentlich habt ihr damit keine Last gehabt?! Onkel Carls Ernennung "Oberalten" ist ja großartig. Ich will ihm und auch Onkel Carlfried gelegentlich wieder schreiben. Nun viele liebe Grüße. Hoffentlich trifft heute Abend die Sendung der "Auslese" ein. Schon im Voraus herzlichen Dank dafür. Sicher gefallen mir die folgenden Hefte ebenso gut, wie die beiden ersten.

Mit den besten Wünschen und auf ein frohes Wiedersehen

Euer Reinhard.

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#40 21.06.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne! Wir erfreut war ich, von Euch schon wieder so ein leckeres Paket mit einem lieben Brief zu erhalten. ...