Sonntag, 16. April 2017

#22 06.01.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Heute will ich das schöne Weihnachtspapier benutzen, um Euch recht herzlich für Eure langen Briefe zu danken. Meine Antwort ist nun nicht von den Ausmaßen wie besonders Großmutters lieber, ausführlicher Bericht. Dazu habe ich nicht genug erlebt, nicht genug Zeit und ich habe noch soviel Dankesschreiben anzufertigen, dass es mir nicht möglich ist. Ich hoffe aber doch, dass die Promptheit mit der ich für die gestern erhaltenen Nachrichten danke, Euch genügen wird. Nachdem wir nun die Festtage hier recht nett verlebt haben ist jetzt mit einer Weiterverlegung ins Moseltal zu rechnen. Das Winterwetter hat sich bis heute gehalten und die schöne Schneelandschaft zieht das Auge an und lockt uns manchen Nachmittag zum Rodeln auf der Dorfstraße hinaus. Am Montag soll in einem benachbarten Dorfe ein Kaffeeklatsch aller Unteroffiziere stattfinden. Da werde ich morgen wohl zum ersten Male nach O. fahren. Am Neujahrstag kam ich nicht dazu, weil ich meinen Waffenrock zum Umtausch gegen einen Funkelnagelneuen abgegeben hatte. Der passt mir nun ausgezeichnet und ich habe mir noch manche andere neue Klamotte organisiert. Von unserem Silvester habe ich Euch ja auch noch nichts erzählt. Unser fröhliches Beisammensein im Quartier wurde um 23:15 Uhr unterbrochen. Das Bataillon, die Leute zum Teil schon ziemlich angeheitert, marschierte hinaus auf eine Höhe. Bei einem diesmal wunderbar lodernden Feuer hielt der Kommandeur eine Ansprache. Eingerahmt von Chorälen, gespielt durch unsere Kapelle. Dazwischen gaben wir uns heimlich unter einander die Hand zum ersten Male im neuen Jahr. Anschließend tat das dann noch der Oberstleutnant jedem Unteroffizier gegenüber. Danach gingen wir einzeln nach Haus zurück. Im Quartier wurde dann noch anständig gebechert und um 03:00 Uhr befriedigt zu Bett gegangen. Im neuen Jahr ist sonst nichts neues passiert und ich will nun noch mal Eure lieben Briefe durchlesen und möglichst beantworten. Das meine Klaue ziemlich doll ist, gebe ich gern zu, aber ziemlich unbeschreiblich ist mir, wie Onkel C.F. mein "Z" mit einer "2" verwechseln konnte. Nun ist der Fall mit der Feldpostnummer aber ja geklärt. Mein Photo scheint allgemein großen Anklang zu finden, ich freue mich, dass es Euch auch so gut gefällt und ich lasse noch welche nachmachen. Ist der alte Volksempfänger denn kaputt? Wir haben leider kein Radio, vielleicht aber ja in dem Moselstädtchen, das sehr viel verspricht. Das wird auch wohl etwas sauberer sein. Das Schönste ist hier in der neuen Schule das Duschbad, das ich soeben wieder voll genossen habe. Vorher hatten wir wieder im Dorfsaal die dritte Varietévorstellung, die in Zusammenarbeit von K.d.F. und Armeekommandeur geboten wurde. Die gewaltige Liebe, die uns tagtäglich die Heimat entgegenbringt berührt uns sehr. Es mag manchmal etwas eigenartig klingen, aber auch im Herzen des rauesten Landsers hinterlässt sie ihren Klang. Meine dumme Erkältung löst sich jetzt allmählich, sie wird leider durch den Temperaturwechsel immer wieder aufgepuscht. 20 Grad Kälte ist bei uns auch keine Sonderheit. Die Künstler brachten uns zum Verkauf Illustrierte mit, das war mal wieder eine schöne Abwechslung. Zu lesen und zu futtern gibts übrigens vom Fest immer noch genug. Die schönen Bücher will ich die Tage nach Haus schicken, da sie sonst zu viel leiden würden und auch beim Transport lästig sind. Es wäre sehr nett, wenn Ihr mir Onkel C.F.'s Hefte übersenden würdet. Man hat doch immer Zeit zum lesen. Ich wollte, ich hätte die viele Freizeit früher im Standort gehabt! Ich freue mich jetzt auch, dass ich meinen Urlaub noch vor mir habe. Auf der Durchreise werde ich bestimmt mal zu Euch kommen und erzählen. In Detmold will man mich auch gern mal haben. Da muss ich mir die 14 Tage, die nun wohl in etwa 1 1/2 Monaten bevorstehen, schon ordentlich einteilen, um jeden gerecht zu werden. So durchgehungert, wir ihr vielleicht meint, bin ich nun ja auch nicht, wenn mein Gesicht auf dem Photo auch ziemlich breit erscheint. Ich glaube ja auch, dass man England im Jahre 40 noch manchen schweren Schlag versetzen wird, ob es bei uns im Westen nochmal zu größeren Komplikationen kommen mag!? Mit Schokolade braucht mich fürs Erste keiner mehr zu bedenken, besonders mit Vollmilchschokolade. Bin ich aus den vielen Päckchen überreich gesegnet. Das Tante Anne einen guten "Lieferanten" hat, ist aber trotzdem nicht zu verachten. Osnabrück und Westfront scheint mir aber trotz des einen Fliegerabschusses doch noch etwas verschiedenes zu sein. Hier geht es ja auch noch immer ruhig zu, aber ganz so dünn wie der tägliche Heeresbericht ist es vorne auch nicht immer. Da ich nun aus vorher erwähnten Gründen nun schließen möchte, will ich Euch noch zum Schluss viele herzliche Grüße und alles Gute senden und wünschen

In aller Frische und einem fröhlichen "Heil Hitler!" danke ich Euch für die Weiterleitung meiner Briefe an Tante Marie und Onkel Franz und bin stets

Euer Reinhard.

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#40 21.06.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne! Wir erfreut war ich, von Euch schon wieder so ein leckeres Paket mit einem lieben Brief zu erhalten. ...