10.12.1939
Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!
Großmutters lieber langer Brief hat mich wieder sehr überrascht und erfreut. Man hat uns nun doch nicht länger in unserem netten Standort liegen lassen, sondern uns Sonnabend früh in ein kleines Dorf in Hunsrück verlegt. Es ist, wie alle Dörfer in dieser Gegend, schmutzig und schlicht. Das fällt besonders auf, wenn man aus der Stadt kommt und es fortwährend regnet. Die Leute sind aber recht nett und zu fünf Unteroffizieren in zwei Betten und einer Chaiselongue liegen wir zwar eng, aber doch ganz ordentlich. Gestern Abend war es im Dorfkrug auch ganz amüsant. Wir wären aber doch froh, wenn es Dienstag ins Moseltal weiterginge. Weihnachten möchte ich jedenfalls nicht gern hier verbringen! Jetzt sitzen wir alle in der Küche und schreiben, dazu das Gekreische des sechsjährigen Töchterchens. Es ist aber der einzige warme Raum. Am letzten Tage in der Kaserne hatte ich nochmal UvD. Eigentlich hätte ich schon eine Woche früher Dienst haben sollen, aber da hatte mein Vorgänger vier Tage aufgebrummt gekriegt, weil er die Kompanie zu spät weckte und raus treten ließ. Ich habe schon mal eine halbe Stunde zu spät geweckt, aber der "Verein" kam noch rechtzeitig zum Dienst heraus. Und da hat der "Spieß" nichts gesagt. Mit unserem Leutnant haben wir weiterhin das beste Einvernehmen. Unser Kompanieführer ist auch ein sehr feiner Mensch, der SA Brigadeführer von Detmold. Etwas sind die Urlaubsaussichten jetzt verbessert, aber ich muss mich doch wohl noch bis mindestens März gedulden. Ob Onkel Carlfried wohl wenigstens Weihnachten daheim sein wird!? Aus unserem schönen Plan, uns ein Radiogerät zuzulegen, ist unter den jetzigen Umständen nun auch nichts geworden. Hier die Leute haben leider auch ihren Apparat abgegeben. Das Bremen einen Extrasender hat wusste ich noch nicht. Die Politik wollen wir nur ruhig ihre komischen Wege weitergehen lassen. Unser unerschütterlichen Siegeswillen und die Zusammenarbeit mit der Heimat wird uns nichts im Stich lassen! Dass das Osnabrücker Regiment zu Haus ist, hat sich auch hier als "Parole" herausgestellt. Kurts Primazeugnis ist ja wieder sehr erfreulich, besonders da er noch nicht einmal im Turnen eine Zensur erhielt! Es freut mich, dass Du dich, liebe Großmutter, in Osterholz so gut erholt hast und es dir so gut geht. Meine Gesundheit ist auch in bester Ordnung. Sonst ist nichts neues an "Bord". An Onkel L.F. schrieb ich neulich kurz. Er hat wohl keine Zeit zum Schreiben?! Mit vielen herzlichen und den besten Adventswünschen bin ich
Euer Reinhard
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen