Freitag, 14. April 2017

#19 25.12.1939

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne!

Für Eure netten Weihnachtsgaben sage ich Euch herzlichen Dank. Schon die nette Verpackung machte mir viel Freude. Ich hatte die Pakete alle bis zum Fest verschlossen gehalten. An Heiligabend kam ich aber gar nicht mehr zum auspacken, denn der Postempfang zog sich bis zum Beginn der gemeinsamen Feier hin. Es war wirklich alles sehr nett für uns hergerichtet. Jeder hatte sein besonders zugewiesenes Plätzchen mit einer Flasche Wein, Schnaps, einer Tüte mit Keks und Bonbons, einen Klaben und einem Buch mit der Widmung des Kompanieführers. In einer angemessenen Ansprache ging unser Brigadeführer auf die diesjährige Kriegsweihnacht ein. Zum Schluss wurde nicht wie vorgesehen, "Stille Nacht", sonder das England-Lied gesungen. Das fand ich und die meisten Soldaten nun etwas unweihnachtlich und unangebracht. Anschließend kam unser Nikolaus. Aus seiner "Bibel" las der äußerst kunstvolle Kamerad den besonders beliebten Vorgesetzten ihr Evangelium, begleitet durch Rutenschläge seines Gehilfen Knecht Ruprecht. Ein lustiges Trinkgelage, das zu Hause um 1 Uhr seinen Fortgang nahm, hielt uns noch lange zusammen und wir suchten ziemlich angeduselt unser Lager auf. In dieser Nacht hat niemand gefroren! Heute früh konnte ich dann ans Auspacken meiner vielen Päckchen gehen. Eure Gaben sind sehr angemessen. Die Aufmachung von Tante Annes Buch finde ich äußerst praktisch. An Onkel Carlfrieds lustigen Buch habe ich heute schon viel Spaß gehabt. Großmutters Leckereien und Briefpapier werden erst im Laufe der nächsten Tage zur rechten Geltung kommen. Ich bin jetzt schon gewiss, dass sie mir recht gut munden werden. Vorläufig haben wir an unserem Klaben und den guten Kuchen, die die Frau gebracht hat, genug. Ich kann mit voller Befriedigung auf meine erste Kriegsweihnacht blicken, Manchmal denkt man ja voll wehmütig nach [an] zu Hause, aber es macht einen auch wieder Stolz, zu wissen, dass man unter denen ist, die bereit sind das Vaterland zu jeder Zeit zu schützen. Darüber muss man dann andere Kleinigkeiten vergessen. An meinen Brief und Foto zum Fest habt ihr hoffentlich Freude gefunden?! Draußen ist immer noch herrliches Weihnachtswetter, heute scheint sogar strahlend die Sonne. Von Osterholz sind erst zwei Pakete eingetroffen, das dritte mit den Hauptgeschenken wird hoffentlich bei der heutigen Post sein! Ich hätte Euch noch gerne viele Anderes, und ausführlicher geschrieben, aber dann komme ich bis zum Jahreswechsel nicht durch und werde zuletzt rammdösig vom vielen Schreiben. Sehr erfreute mich der Weihnachtlichen Schokoladengruß von Onkel Franz und Tante Anna. Sicher habe ich das vor allem Dir liebe Großmutter zu verdanken! Hoffentlich ist Onkel Carlfried die ersten beiden Tage nun noch bei Euch gewesen. Sonst wäre es ihm doch sicher sehr einsam geworden und in Euer trautes Zusammensein wäre ein dunkler Schatten geworfen! Zum Neujahrsfest, zu dem ich Euch alles Gute und darüber hinaus ein erfolgreiches Jahr 1940 wünsche, wird Onkel Carlfried sonst
vielleicht dort sein können. In etwa zwei Monaten kommt dann auch die schöne Urlaubszeit. In Osnabrück kann ich dann wohl mal kurz vorsprechen. Die Freude darauf gibt in dem manchmal sturen Dasein neue Kraft!

Mit vielen herzlichen Grüßen und nochmals Wünschen für das neue Jahr

bin ich

Euer Reinhard.

Bitte sendet, da Adresse entfallen, Karte an Onkel Franz weiter. Ab 20.01. haben wir Feldpostnummer 06902 b.

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#40 21.06.1940

Liebe Großmutter, liebe Tante Anne! Wir erfreut war ich, von Euch schon wieder so ein leckeres Paket mit einem lieben Brief zu erhalten. ...